Eine freudige Überraschung

In Folge der Renovierung der Ruhr-Uni Bochum sind im Jahr 2018 zwei Papierkartons mit ca. 10000 Negativen aus meiner Diplomanden- und Doktorandenzeit von 1992 - 1998 aufgetaucht und mir freundlicher Weise ausgehändigt worden. Die Aufnahmen wurden zumeist entweder am Philips EM 300 oder am etwas moderneren Philips EM 410 gemacht.

"riesige" Filmrähmchen im Hochvakuum

Die Aufnahmen erfolgten damals im "Mittelformat" mit der für heutige Verhältnisse riesigen Größe von 60 x 90 mm. Die Negative wurden von den Forschern einzeln in Blechrähmchen geschoben, von denen ~ 15 Stück in einer Stahlkiste gestapelt wurden. Dieser Plattenstapel wurde mehrere Stunden bis Tage in einem Vakuumschrank oder Trocknungsgerät (Exsiccator) getrocknet, um auch das letzte Bisschen Feuchtigkeit aus den Negativen zu vertreiben.

IEM Negativn einem Elektronenmikroskop muss Hochvakuum herrschen, sonst kann die hohe Spannung von 20-100.000 Volt nicht aufgebaut werden, und der Glühdraht (das Filament) brennt durch. Schon ein Hauch von Feuchtigkeit, die aus wenigen Quadratzentimetern Film entweicht, beeinträchtigt das Vakuum erheblich.

Links sieht man ein typisches EM-Negativ. Die hellen Aussparungen auf den Seiten und oben entstanden durch die Beschattung durch die Ränder des Blechrähmchens. Links unten befindet sich ein Feld mit Informationen zum Bild.

Verschlüsselte Bildinformationen

Die Aufnahme rechts zeigt diese Informationseinblendung beim Philips 300 im Detail:

Links oben steht "00" - und ehrlich gesagt habe ich vergessen, wofür Detailinformationendas bei diesem Gerät stand.

Rechts oben steht die Aufnahmennummer "5801" - bei diesem Gerät immer Vierstellig.

Die Zahl links unten steht bei diesem Gerät für die Hochspannung, mit der die Abbildung erzeugt wurde. Die "4" hier bedeutet, dass die Aufnahme bei 80 kV erzeugt wurde; "3" wären 60 kV,  "2" 40 kV und so weiter.

Rechts unten befindet sich der Vergrößerungsfaktor. In diesem Fall also 16900-fach. (immer bezogen auf die 60 x 90 mm großen Mittelformatnegative.

Die Bilder sind erst einmal zu interpretieren wie Röntgenbilder: Dunkle Stellen wurden durch den Elektronenstrahl geschwärzt; hellere Stellen entstehen dadurch, dass elektronendichtes Material einen Teil oder alle Elektronen weggefangen hat.

Biologen im Fotolabor

Im Gegensatz zum Röntenbild ist es beim Elektronenmikroskop jedoch üblich, nicht die Negative, sondern die Positive zu betrachten. Vielleicht muss es beim Arzt ja einfach schneller gehen; und wer Zeit hat, jedes einzelne Negativ in eine Blechschublade zu friemeln, die stundenlang getrocknet werden muss, der hat auch die Zeit, von dem Bild noch einen Abzug zu machen. 

Em-Foto ohne Kontrastverstärkung Em enhanced
Elektronenmikroskopische Aufnahme ohne Kontrastverstärkung nach Kontrastverstärkung

Das Bild ist normalerweise aufgrund des geringen Kontrast des biologischen Materials eher flau und kontrastlos. Die Kunst des Forschers / der Forscherin oder der Leute im Fotolabor (aber wer gute Abzüge haben wollte, machte diese zumeist selbst) bestand dann darin, durch eine geschickte Kombination der Empfindlichkeit des Fotopapiers und der Belichtungszeit die gewünschten Strukturen im Kontrast gezielt zu verstärken und dadurch erst sichtbar zu machen.Em Ausschnitt

So zeigt das Bild rechts unten eine Ausschnittvergrößerung aus dem kontrastverstärkten Abzug. Dieser macht die Hohlröhren der sog. "Mikrotubuli" sehr viel erkenntlicher, als im unbearbeiteten Originalabzug links oben.

ComputerTechnik macht vieles leichter

Mittlerweile wird die klassische Mikrofotografie in vielen Bereichen durch digitale Aufnahmen abgelöst. Ich habe aber so meine Zweifel, dass die digitale Fotografie den Detailreichtum der alten Mittelformataufnahmen erreicht. Da der klassische Film analog ist, lässt sich die Auflösung nicht direkt errechnen. Die Angaben schwanken zwischen 8 und 135 Megapixeln für ein Foto im Kleinbildformat.

Für das Mittelformatnegativ hochgerechnet ergibt das einen Informationsgehalt von 50 - 840 Megapixeln. Derzeit (2019) dürfte das die meisten auf dem Markt verfügbaren Kamerasensoren noch gewaltig überfordern. Praktischer ist aber sicher ein digitaler Sensor.

Scans für diese Homepage

Für diese Homepage habe ich zahlreiche Negative mit einer Auflösung von 2400 dpi in 8 bit Graustufen gescannt und nach der Bildbearbeitung auf 1/4 der Größe heruntergerechnet. Diese Bilder werden sortiert nach Objekt und Versuch in Bildergalerien zur Verfügung gestellt. Mit 12 Megapixeln sind diese Scans trotzdem noch etwas unhandlich.

Vergrößerungstabelle

Wer will, kann die Größe beliebiger Objekte durch den festen Vergrößerungswert jedoch einfach ermitteln:

Zehn Pixel bei den Galeriebildern (im Vollbildmodus! = Pfeile links oben in der großen Ansicht) entsprechen je nach Vergrößerung:

 Vergrößerung Nanometer (nm)
4.400 x 48,1
7.100 x 29,8
12.000 x 17,6
14.000 x 15,1
16.900 x 12,5
21.000 x 10,1
38.000 x 5,6
54.000 x 3,9
104.000 x 2,0

Viel Spaß beim Ausmessen von Mikrotubuli, Aktinfilamenten oder was immer die elektronenmikroskopische Welt für Sie interessant macht.